Gartenvögel - Eine sensible Nachbarschaft
Man staunt immer wieder, wie vielfältig die Artenvielfalt auch in den Urbanisationen ist. Tiere besetzen in den menschlichen Lebensräumen kleinste Nischen, arrangieren sich mit suboptimalen Bedingungen und schaffen es, ihre Bestände mehr oder weniger erfolgreich aufrecht zu erhalten. In vielen Großstädten wundert es fast niemanden mehr, Fuchs, Dachs, Wildschwein und sogar Rotwild zu begegnen. Immer mehr Vogelarten drängen in die Städte. In den Parkanlagen und Friedhöfen mit altem Baumbestand findet man oft z.B. Schwarzspechte vor, eine scheue waldbewohnende Art, die vermutlich aus Mangel an alten dicken Bäumen in den Forsten in die städtischen Grüngürtel mit altem Baumbestand ausgewichen ist.
Rabenvögel wie Elstern, Eichelhäher, Krähen, Dohlen und Saatkrähen gehören mittlerweile zum alltäglichen Bild in den Siedlungen. Nur der Eichelhäher ist ein ehemaliger Waldbewohner, Elstern und Krähenarten waren stets Bewohner der abwechslungsreichen bäuerlichen Kulturlandschaft. Die Dohle als Felsen- und Höhlenbrüter ist schon früh in die Siedlungen der Menschen gefolgt und wurde zum Gebäudebrüter. Auf den Feldern, Wiesen und Viehweiden hatten diese Vögel einst ihr Auskommen gefunden. Das Vieh auf den Weiden hat für viele Fliegen gesorgt, es gab genügend Brachen und Pestizide waren noch nicht erfunden. Die hohe Artenvielfalt sorgte für genügend Nahrung für alle.
Heutzutage bestimmen großflächige mit Pestiziden verseuchte Monokulturen die ländlichen Gegenden, Bauminseln, Busch- und Strauchwerk werden zugunsten der riesigen Erntemaschinen entfernt, das Vieh steht im Stall und nur noch selten auf der Weide. Ein nicht unerheblicher Jagddruck sowie Nahrungsmangel lässt diese klugen Vögel in ruhigere, jagdfreie Gebiete der Urbanisationen abwandern. (Jagdstrecke Rabenkrähe in NRW 2019/20: 106497 Exemplare, Elstern 29540 Exemplare!)
Im Zuge der industrialisierten Landwirtschaft sind einige andere Vogelarten vermehrt in die Gärten gefolgt, so z.B. der Feldsperling, die Goldammer, der Distelfink.
Etwa 40 Vogelarten finden wir durchschnittlich in unseren Gärten. Manche sind sehr präsent und wohlbekannt wie die Amsel, andere sieht man so gut wie nie wie den Fitis oder kleine Grasmückenarten. Sie sitzen einfach sehr gut getarnt im Geäst. Hier lohnt es sich, eine Vogelstimmen App herunter zu laden und anhand der Gesänge die Vogelarten im Frühling und Sommer zu identifizieren. Wer lieber ein Buch möchte, ist mit „ Was fliegt denn da“ von Kosmos Naturführer mit dem dazugehörigen Ting Stift gut bedient. Hier hat man neben den Gesängen auch gleich eine Artbestimmung in Wort und Bild. Mit den Gadgets: App, Buch und Stift kann man gut Vögel bestimmen lernen, auch wenn man sie nicht direkt sieht.
Gärten für Vögel
Gartenvögel haben ganz bestimmte, unterschiedliche Anforderungen an ihr Umfeld. Je artenreicher die Bepflanzung ist, desto reichhaltiger die Vogelwelt. Wobei mit „artenreich“ keine Pflanzen gemeint sind, die hier nicht heimisch sind! Eine Forsythie, ein Rhododendron, ein Flieder und andere dienen unseren Insekten- der Hauptnahrung vieler Vögel- nicht als Nahrungsquelle. Anstelle der Forsythie liefert die Kornelkirsche zur gleichen Zeit eine wunderbare gelbe Blütenfülle, der schwarze Holunder ersetzt den Flieder, den viele Insekten meiden, weil der Nektar Giftstoffe beinhaltet. Auch gefüllte Blumenarten wie Rosen, Chrysanthemen, Pfingstrosen sind völlig unbrauchbar, hier sollte man nicht gefüllte Arten bevorzugen. Frühblüher wie Stiefmütterchen oder Tulpen produzieren kaum Nektar. Da kann man auf Hornveilchen und Wildtulpenarten ausweichen. Obstgehölze werden von vielerlei Insekten angeflogen, sie blühen oft sehr üppig und ihre Früchte dienen ab dem Sommer auch Vögeln als Nahrung.
Der Pflanzenmarkt bietet mittlerweile reichlich ausgewiesene Pflanzen für einen Insekten- und vogelfreundlich Garten.
Ein geschorener Rasen ist kein Lebensraum, außer für Amsel, Drosseln und Star, die dort nach Regenwürmern suchen. Auf dem artenarmen kurzgeschorenen Rasen, der auch nie blühen oder Samen entwickeln darf, gibt es dort weder für die Insektenwelt noch für die meisten Vögel etwas zu holen. Hier wäre wichtig, es teilweise wuchern zu lassen. Wer es mag, kann einen Teil der Rasenfläche z.B. mit Sand abmagern und mit Regionalsaat einsähen. Informationen über die Regionalsaat bekommt man bei den biologischen Stationen und Naturschutzverbänden. Dafür ist Platz im kleinsten Garten. Regionalsaat deswegen, weil diese Saatmischungen nur heimische und zumeist mehrjährige Pflanzen beinhalten. Im Gegensatz zu den im Handel preiswert angebotenen Blumenwiesenmischungen, die viele nichtheimische Arten beinhalten und oft nur einjährig blühende. Regionalsaatwiese wird ein- zweimal jährlich gemäht. Hoch wachsende Wiesen bieten zudem Schutz für verschiedene Tier- und Insektenarten.
Eine typische Wildkrautecke mit Brennnesseln, Gundermann, Giersch, Spitzwegerich, Mädesüß und anderen Pflanzen bietet vielerlei Insekten Nahrung, Kinderstube und Unterschlupf und somit auch einen Lebensraum für Vögel. Wildkräuter bereichern zudem die menschliche Hausapotheke.
Man muss jetzt nicht sofort alle Ziergehölze und Zierpflanzen im Garten herausreißen und durch heimische Gewächse ersetzen. Aber nach und nach kann man den Lebensraum Garten für Insekten und Vögel verbessern.
Der vogelfreundliche Garten und Balkon:
- Verwendung heimischer Wildformen
- Blühpflanzen über das Jahr verteilen
- Abgestorbene Pflanzen bis zum Frühjahr stehen lassen: Insektenschutz
- Entfernen von invasiven Neophythen
- Keine Gifte, chemischer Dünger, kein Torf
- Kompost anlegen
- Kein Laubsauger/Bläser, kein Mähroboter
- Keine Gartenbeleuchtung ab Dämmerung
- Fraßschäden tolerieren, Nützlinge fördern
- Pflanzen mit gefüllten Blüten meiden
- Nichts ausrupfen was man nicht kennt: erst bestimmen!
- Regionalsaat beim Anlegen einer Wiese verwenden!
Unsere Tierwelt ist von heimischen Pflanzen abhängig, sie sind aufeinander perfekt abgestimmt. Heimische Pflanzen bieten gute geschützte Brutmöglichkeiten sowie Futter; entweder Insekten, die auf den Pflanzen vorkommen oder Früchte, die die Pflanzen produzieren.
In Pflanzen wie Rhododendron oder Kirschlorbeerhecken brüten zwar auch Vögel, aber durch den offenen Wuchs sind die Nester weniger gut geschützt und werden oft Opfer von Nesträubern. Zudem bilden nichtheimische Pflanzen manchmal Gifte aus, die nicht verträglich für unsere Tierwelt sind.
Das Wegspritzen von Schädlingen bringt oft unsere heimischen Vogelnestlinge um, auch wenn die Hersteller etwas anderes behaupten. Viele Vögel brüten genau zur Raupenschwemme, wenn diese sich im Frühjahr über das frische Blattgrün hermachen. Den Raupen jetzt mit der Chemiekeule zu Leibe zu rücken, nimmt den Vogelfamilien nicht nur die Nahrung sondern vergiftet auch die zarten Nestlinge, die ein Zuviel an Pestiziden auf ihrer Nahrung nicht vertragen.
Neben Futterpflanzen sollten wir auch für Brutmöglichkeiten sorgen. Jede Vogelart hat ihre eigenen Vorstellungen von Nestbau und Niststandort. Buchfinken, Grünfinken und andere Kleinvögel bevorzugen dichte Bäume und Gebüsche, um dort in einer Astgabel ihr Napfnest zu bauen. Andere wiederum, wie die Blau- und Kohlmeisen, Stare, Trauerschnäpper, Hausspatzen nutzen Nisthöhlen, die gerne auch als Nistkästen angeboten werden können. Rolladenkästen, Briefkästen, abgestellte Fahrzeuge, Regale, ja sogar Türkränze und Gartendekoration werden gerne von Vögeln für die Brut vorübergehend zweckentfremdet.
Wenn man in einer Auffangstation arbeitet, staunt man manchmal, wo überall die Vögel brüten. Wir bekommen Jungtiere aus länger geparkten Flugzeugen, die ihr Nest irgendwo im Fahrwerk hatten. Oder eine Spedition oder Händler melden sich, weil mit der gelieferten Ware auch ein Nest mit Nestlingen mitgereist ist.
Viele Vogelarten freuen sich über Nisthilfen im Garten. So kann man Nistkästen aufhängen, wo die Größe der Einflugslöcher an die jeweilige Vogelart angepasst ist.
26-28 mm | Blaumeisen, Sumpfmeisen und Tannenmeisen, manchmal Zaunkönig |
32 mm | Kohlmeise, Haubenmeise, Gartenrotschwanz, Halsbandschnäpper, Trauerschnäpper, Wendehals, Feldsperling und Haussperling, manchmal für Fledermäuse als Ruhe- oder Winterquartier |
34 mm | Kleiber (spezielle längliche Öffnung), Trauerschnäpper, Gartenrotschwanz, Kohlmeisen, Blaumeisen, Sumpfmeisen, Tannenmeise, Haubenmeisen, Fledermäuse als Ruhe- oder Winterquartier |
45 mm | Star, Wendehals, Bunt- und Mittelspechte, Trauerschnäpper und Kleiber |
80 mm | Hohltaube und Dohle, Rauhfuß- und Sperlingskauz, gelegentlich für Schwarz,- Grün,- und Grauspechte, Wiedehopfe. Für Eichhörnchen als Übernachtungshöhle. |
130mm | Waldkauz, Schleiereule |
Halbhöhle | Hausrotschwanz, Bachstelze, Grauschnäpper und gelegentlich Rotkehlchen, manchmal Amsel. Gelegentlich nistet der Zaunkönig in einer Halbhöhle. |
Zaunkönigkugel | Speziell für Zaunkönige |
Nistkästen werden in süd- östlicher Richtung aufgehängt, das ist die Wetter abgewandte Seite und wird so von den Vögeln bevorzugt. Für Gebäudebrüter gibt es auch spezielle Kästen. So nutzen Hausspatzen gerne Nistkästen mit mehreren Einfluglöchern, wo die Vögelchen in der Kolonie brüten können. Nistkästen sollen wenn möglich, einmal im Jahr im Herbst gut gereinigt, ggf. mit kochend heißem Wasser auswaschen werden, um Parasiten und Keime abzutöten. Den durchgetrockneten, sauberen Nistkasten kann man dann wieder an seinen Platz hängen. Oft wird er im Winter als Schlafplatz genutzt.
Spezielle Nistkästen nutzen auch Mauersegler, die aber in einer Mindesthöhe ab 6m unter die Traufe gehängt werden müssen. Zudem benötigen Mauersegler freie Anflugmöglichkeiten.
Für Mehlschwalben gibt es Kunstbrutnester, die nach oben geschlossen sind und ein vorderes Einflugloch bieten. Wen der Schmutz durch den Vogelkot an der Hauswand stört, kann Modelle mit vormontiertem Kotbrett wählen. Diese Kunstnester aus Holzbeton sind langlebig und stabil und werden dicht unter die Traufe montiert. Für Rauchschwalben gibt es fertige nach oben offene Napfnester, die in Stallungen und geschützten Bereichen wie Hauseingängen angebracht werden können.
Das Material, aus dem Nisthilfen gebaut sind, sollte atmungsaktiv sein. Daher eignen sich Kästen aus Holz und Holzbeton sehr gut. Das Dach muss dicht sein und keinen Regen hineinlassen. Als Schutz vor Marder und anderen Nesträubern gibt es Kästen mit Vorbau um die Öffnung. Andere Nistkästen haben ein Schutzblech um das Einflugloch herum. Das hindert Spechte daran, die Kästen aufzumeißeln um an die Gelege und Nestlinge heranzukommen.
Mit beidem: Nistmöglichkeiten und einem Garten, der die Grundnahrung für die Vögel bereithält, hat man sehr viel für den Artenschutz getan.
Vögel füttern?
Im Prinzip steht dem nichts im Wege, wenn man ein paar Dinge beachtet. Im Winter helfen fette Sämereien und Nüsse, gefettete Flocken, Trockenfrüchte wie Rosinen und Meisenknödeln den Vögeln. Selbst viele Insektenfresser können im Winter pflanzliche Nahrung verwerten und Fett ist der Energielieferant, wenn es kalt ist. Im Sommer sieht das anders aus. Zuviel Fett im Frühjahr macht z.B. Meisen unfruchtbar, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen auf. Erdnüsse, Sonnenblumenkerne und Fettfutter haben jetzt nichts auf dem Futtertisch zu suchen. Die Vogelwelt ist auf hochwertige Proteine ausgelegt, alleine um ihre Jungen damit zu füttern. Wenn man Sämereien anbieten möchte, kann man auf spezielle Mischungen für Waldvögel aus dem Vogelfachhandel zugreifen. Die beinhalten u.a. Unkrautsamen, also eine natürliche Nahrungsquelle.
Fast alle Jungvögel, auch die von Körnerfressern werden im Nestlingsalter mit Insekten gefüttert, um schnell heranwachsen zu können. Getrocknete Mehlwürmer und andere Insekten sind keine gute Nahrungsquelle für Jungvögel, die frische, vollwertige Nahrung benötigen. Zudem können scharfe Chitinteile der trockenen Insekten den Schlund der Jungvögel perforieren. Hier kann man eigentlich nur mit einem pestizidfreien und artenreichen Garten aufwarten, damit sich besonders viele Insekten dort aufhalten.
Generell müssen Futterplätze regelmäßig gründlich mit kochendem Wasser gereinigt werden, um ansteckenden Vogelkrankheiten vorzubeugen. Besonders wartungsarm haben sich Spender erwiesen, mit denen man das Futter vor Verschmutzung geschützt anbieten kann. Eine Wasserschale darf sommers wie winters nicht fehlen. Auch die muss täglich gereinigt und gut durchgetrocknet werden, um die Keimbelastung zu reduzieren. Am besten nutzt man zwei Schalen, die man abwechselnd aufstellt.
Ein Wort zum „Steingarten“
Viele Leute wünschen sich pflegeleichte Vorgärten und Hausgärten, es fehlt die Zeit und das Interesse, einen bepflanzten Garten zu pflegen. So kommt man schnell auf die Idee, Flächen vor dem Haus stylisch mit Kies,- Granit,- Marmor-oder Basaltschotter aufzufüllen. Ein paar oft exotische Pflanzen im Kübel runden dann das Bild eines ordentlichen und gepflegten „Gartens“ ab. Die Schönheit dieser Gärten liegt im Auge des Betrachters; oft ähneln sie einer trüben Abraumhalde des Bergbaus. Diese Flächen haben nichts gemein mit natürlich vorkommenden Steppen,- Geröll- und Felsenflächen und damit für viele Tier- und Pflanzenarten einen geprägten Lebensraum. Solche Vorgärten sind toter Raum.
Es sei vorab gesagt: pflegeleicht ist etwas anderes! Spätestens nach ein paar Jahren, wenn Staub und Laub zwischen den Steinen zu Erde zerfallen ist, wachsen die ersten Pionierpflanzen mit hartnäckig haftendem, langem und verzweigtem Wurzelwerk zwischen den Steinen. Hier muss man dann mühsam kiloschweres Geröll jäten oder man nutzt unökologisch Pestizide oder den Unkrautbrenner. Die Reste der totgemachten Pflanzen bilden dann einen Nährboden für neue Gewächse, ein Kreislauf hat begonnen. Für das Geld, das man einer Fachfirma für das lieblos gestaltete Geröllfeld bezahlt hat, kann man für lange Zeit Schüleraushilfen zum Unkrautjäten eines Blumenbeetes das Taschengeld aufbessern.
Schottergärten sind klima- und umweltschädlich für die Bebauungszonen. Schotter heizt sich in der Sonne enorm auf und oft verhindert die Wurzelsperrfolie unter den Steinen einen vernünftigen Ablauf des Regenwassers.
Gerade die Pflanze als wesentliches Element des Gartens bringt die eigentlichen Wohlfahrtswirkungen. Das Blattwerk hält den Regen länger zurück und sorgt für einen verzögerten Abfluss, die Verdunstung sorgt für Luftkühlung. Das Erleben der Jahreszeiten anhand der Pflanzen ist elementar.
Eine bepflanzte Fläche bietet Nahrung für viele Vögel und Insekten. Man kann sich das gut errechnen: eine Amselfamilie hat ein Revier von ca. 300 qm. Fällt davon eine Fläche von ca. 20-40 qm für den versiegelten Vorgarten weg, wird der Nachwuchs weniger gut versorgt werden können. Vögel können nicht einfach die Straßenseite wechseln, denn da beginnt ein anderes Vogelrevier. Im schlimmsten Falle wandern Tiere ab oder Jungvögel verhungern. Somit stellen die Schottergärten einen direkten Eingriff in den Artenschutz dar.
Mit Achtsamkeit und Naturliebe lässt sich der Artenschwund eindämmen. Es liegt an uns allen, wie wir die Natur in Zukunft erleben wollen.