Fensterschlag
Facts: Ungefähr 18 Mio. Vögel verunglücken alleine in Deutschland jährlich an Fensterflächen, schätzungsweise 280 000 pro Tag europaweit. Mit einer anderen Berechnungsgrundlage kann man sogar von einer Summe von über 100 Mio. verunglückter Vögel ausgehen. Fenster selektieren nicht, an ihnen sterben Vögel aller Arten, Geschlechts und Alters. Im Internet kursiert die Geschichte vom Weißstorch, der bei den ersten Flugversuchen gegen eine Scheibe flog und dann hilflos auf dem Boden saß. Feuerwehr und Tierrettung mussten dem Vogel helfen.
Eine der häufigsten Fensterschlagopfer sind Spechte, die normalerweise recht rasant von Baum zu Baum fliegen. Spiegelt dieser sich im Fenster, ist das Unglück vorprogrammiert.
Die Verletzungen sind oft gravierend. Wenn der Vogel sehr viel Glück hat, ist er nach wenigen Momenten der Benommenheit wieder fit und flugfähig. Meist aber sind Knochenbrüche im Schulterbereich, Frakturen des Schädels und des Schnabels, innere Verletzungen von Lunge und Organen, Gehirnblutungen, Nervenabriss in der Netzhaut, Frakturen des Rückgrats und der Genickbruch mit direkter Todesfolge die Regel. Oft bekommt man vom Fensterschlag gar nichts mit. Somit wird der benommene, hilflose Vogel auch schnell zur Beute von Beutegreifern.
Damit sie fliegen können sind Vögel in Leichtbauweise von der Natur konzipiert. Die Knochen sind hohl und mit Luftsäcken, die der Atmung dienen, gefüllt und daher besonders zerbrechlich. Viele Vögel sind schnelle und kraftvolle Flieger. Amseln und Meisen z.B. schaffen eine Geschwindigkeit von ca. 35 km/h, der Haussperling kann 40 km/h erreichen, eine Ringeltaube schafft 120 km/h, Mauersegler werden im Jagdflug bis zu 200 km/h schnell. Bei diesen Geschwindigkeiten kann man sich vorstellen, dass ein Fenster schnell zu einem tödlichen Hindernis werden kann. So bekamen wir, die Wildvogelhilfe Rheinland, vor einiger Zeit einen Habicht in die Station gebracht. Der war im Jagdflug hinter einer Ringeltaube her, diese verunglückte während der Flucht tödlich an der Scheibe und der jagende Habicht, der kurz darauf verstarb, gleich mit.
Wieso sehen die Vögel die Fenster nicht?
Viele Leute berichten uns immer verwundert, dass sie doch alles Mögliche zur Abschreckung in die Fenster gehangen oder immer die Gardinen geschlossen hätten. Das hätte der verunglückte Vogel doch sehen müssen.
Es ist eine Frage der Perspektive, was ein Vogel draußen im Fenster wirklich sieht. Oft spiegelt sich die Umgebung darin, was für den Vogel aber nicht als Spiegelbild interpretiert werden kann. Der Vogel sieht die freie Himmelsfläche, den Baum von der anderen Straßenseite, dessen Grün sich einladend im Fenster spiegelt oder andere Gebäude, auf denen er landen könnte. Daher nützen Gardinen und andere Dinge hinter dem Fenster leider nichts.
Besonders fatal sind Glasflächen inmitten der Landschaft, also Buswartehäuschen mit Glasflächen, gläserne durchsichtige Terrassen- und Balkonabtrennungen, Panoramafenster oder Wintergärten, die übers Eck gehen: alle diese Glasflächen gaukeln dem Vogel eine ungehinderte Flugbahn vor, weil er, genau wie wir, durch sie hindurchsehen kann und ein Ziel hinter der Scheibe (z.B. einen Busch oder Baum) ansteuern möchte.
Unnütze Maßnahmen gegen den Vogelschlag
Vielerorts sieht man Greifvogelsilhouetten auf den Fenstern kleben. Die nutzen leider überhaupt nichts. Um das zu verstehen, muss man sich die Physis eines Vogel mal näher betrachten. Vögel sind Augentiere. Sie reagieren blitzschnell auf geringste Bewegungen. Ein Blinzeln des Habichtauges reicht, um aufmerksame Singvögel aufzuschrecken.
Was macht das Greifvogelflugmuster auf der Scheibe? Nichts! Es klebt da, bewegt sich nicht, es könnte genauso gut ein Dreckfleck oder ein Werbeplakat sein. Es ist ein schwarzer Fleck auf dem Fenster. Dass dieser Fleck zufällig eine gewisse Ähnlichkeit mit Greifvögeln hat, interessiert den Vogel nicht. Der unbewegliche schwarze Fleck macht ihm keine Angst. Der Vogel weiß nur, dass er genau an der Stelle, wo dieser Fleck klebt, nicht durchfliegen kann. Daneben aber schon! Daher kann man sich das Geld für diese Aufkleber getrost sparen, die Nutzlosigkeit ist wissenschaftlich belegt.
Ein anderes Produkt verspricht gute Hilfe gegen den Vogelschlag. Ein Stift mit einer für uns kaum sichtbaren Flüssigkeit, genannt Bird Pen, zum Bemalen der Glasfronten von außen soll Vögel von den Scheiben fernhalten. Das Wirkprinzip: die Flüssigkeit reflektiert UV-Licht und somit wird die Scheibe für den Vogel sichtbar, so z.B. für Amseln und Meisen. Das gibt es auch als fertig bedrucktes Fenster beim Glasbauer zu erwerben. Funktioniert auch – leider können aber nicht alle Vogelarten Licht im UV Spektrum erfassen. Somit knallen diese Kandidaten (u.a. Sperlingsvögel, Schwalben, Mauersegler, Spechte) weiterhin gegen das Glas. Außerdem kommt hinzu, dass bei zu starkem Einfall des restlichen Lichtspektrums die UV-Reflexion/Absorbtion durch die allgemeinen Spiegelungen auf der Scheibe überlagert werden kann. So kann man damit vielleicht einen kleinen Teil der Vögel retten, doch nur zusammen mit anderen Maßnahmen kann man schlussendlich alle davor bewahren, schmerzhaften Kontakt mit einer Glasscheibe zu bekommen.
Nützliche Maßnahmen gegen den Fensterschlag
Eine kostenfreie Methode ist schlicht und einfach die Fenster nicht mehr zu putzen. Wenn man eine recht verschmutzte Scheibe aushalten kann und einen die reduzierte Durchsicht nicht stört, hilft der Schmutz auf den Außenflächen der Scheiben, dass Vögel diese erkennen können, weil die Umgebung nicht mehr so intensiv reflektiert. So hat man auch eine gute Ausrede, wenn der ungeliebte Fensterputztag naht: man praktiziert aktiven Vogelschutz.
Hilfreich ist auch das Anbringen von Fliegengittern. Diese vermindern ebenfalls die Spiegelung der Scheibe und reduzieren ggf. etwas den Aufprall. Die Fliegengitter gibt es mit schnell anzubringenden selbstklebendem Klettband vom Discounter oder Baumarkt, mit Spannrahmen, die man auch selber zusammenbauen kann oder als Profilösung vom Fensterbauer. Kleiner angenehmer Nebeneffekt: Mücken, Spinnen und Fliegen gibt es dadurch auch deutlich seltener in der Wohnung.
Mit ein wenig Kreativität kann man vieles selber machen. Muster im Abstand von ca. 5 cm auf bzw. vor der Scheibe sind für einen Vogel ein sichtbares Hindernis. Solche Muster signalisieren ihm, dass er da nicht so ohne weiteres durchfliegen kann. Zunächst kann man Schnüre (bunte Polyesterwolle, Paketschnur etc.) auch im Abstand von ca. 5 cm vor das Fenster spannen. Dazu benötigt man allerdings kleine Haken zum Einklemmen in die Dichtungsgummis der Rahmenfalz oben und unten.
Man kann auch Perlenschnüre oder Makrameevorhänge außen vor die Fenster hängen. Die kann man selber basteln oder auch als fertige Produkte im Baumarkt oder 1 Euro Shop kaufen.
Wer künstlerisch aktiv werden will, kann sich mittels sogenannten Window Colours an den Scheiben austoben. Es reicht ein Motiv mit Linien in einer Farbe, allerdings kann man auch ein schönes farbiges Fensterbild damit gestalten. Wichtig ist hier auch nur, dass zwischen den Linien nie mehr Platz als eine Faust sein soll. Wir haben die besten Ergebnisse mit den Marabou Fensterfarben erzielt. Die Kunststofffarben in den Applikationsflaschen lassen sich gut auch direkt auf das Fenster auftragen, da sie nicht so fließfreudig sind und halten in der Station schon seit fast 10 Jahren bei Wind und Wetter und gelegentlichem Scheibenputzen.
Die professionelle Lösung ist immer noch der Gang zum Fensterbauer oder zum Hersteller von Werbe- und Klebefolien. Diese bieten Vogelschutzfolien an, die dauerhaft auf die Scheibe angebracht werden. Hier bieten sich auch individuelle Lösungen an, z.B. integrierte Firmenlogos. Sonst sind es vor allen Dingen Streifen oder Punkte, sogenannte geprüfte Muster.
Bauliche Gegenmaßnahmen
Wichtig wäre, bei Neubauten den Vogelschutz von Anfang an verantwortungsvoll und vorbeugend in die Planung mit einzubeziehen. Die Gefährdung für Vögel ist nie auszuschließen. Häufen sich jedoch die Fallzahlen, muss man handeln. Gemäß §44 Abs.1 BNatSchG gilt ein striktes Tötungsverbot heimischer Vogelarten. Dieses Gesetzt greift auch bei unbeabsichtigten Tötungen, wenn diese signifikant erhöht sind. Hierbei berechnet man bei 100 m Fassadenlänge 2 Vogelschlagopfer pro Jahr als „normal“ und hinnehmbar; mehr als doppelte Zahlen, mindestens 5 Vogelschlagopfer werden dann als signifikant erhöht bezeichnet. In diesem Fall können Behörden eine Entschärfung der Gefahrenstelle anordnen. Eine Nachbesserung ist in der Regel meist teurer als ein vorbeugendes Planen und Ausführen durch den Architekten.
Nächtliche Kollison
Dann gibt es auch die Vögel, die nachts einen Zusammenstoß mit Scheiben und Wänden haben. Besonders in der Zugzeit werden diese Vögel durch das Kunstlicht irritiert und oft auch von ihrer Reiseroute abgelenkt. Hohe, solitär stehende beleuchtete Gebäude wie z.B. der Posttower in Bonn sorgen alljährlich besonders zum Frühjahr und Herbst für unzählige Vogelopfer. Dort sind schon ganze Reisetrupps während des Vogelzuges verunglückt. Die Vögel werden durch die helle Beleuchtung angelockt.
Aber auch das mit Außenleuchten versehene Einfamilienhaus kann zur tödlichen Falle werden. Vor einiger Zeit ist ein Schwan mit einem beleuchteten Wohnhaus in der Nacht kollidiert. Der Knall, den es dadurch gegeben hatte, riß die Bewohner aus dem Schlaf. Am nächsten Morgen bekamen wir dann das verunglückte Tier mit Knochenbrüchen in die Auffangstation.
Die scheuen Waldschnepfen sind häufig diejenigen, die dann morgens auf dem Pflaster vor den Gebäuden zu finden sind, selbst mitten in der Stadt.
Die beste Lösung für den nächtlichen Fensterschlag: Lichter aus, Fenster abdunkeln, keine dauerhafte nächtliche Außenbeleuchtung! Vor allen Dingen keine Lampen, die auch nach oben strahlen. Das schont nicht nur den Geldbeutel und Ressourcen. Nachts braucht kein Garten Dauerbeleuchtung. Weniger Beleuchtung ist das Mittel gegen die Lichtverschmutzung mit ihren zum Teil fatalen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt. Weniger ist hier mehr, rettet Leben und vernichtet auch nicht die Nahrungsgrundlage Insekten von Vögeln.
Artikel zum Nachlesen und mit weiteren Informationen:
www.bund-nrw.de/meldungen/detail/news/vogelschlag-an-glas-ueber-18-millionen-oder-100-millionen-was-stimmt/.
www.bund-nrw.de/themen/vogelschlag-an-glas/loesungen/flugtunnel-norm-onr-191040/
www.bund.net/bund-tipps/detail-tipps/tip/vogelschlag-was-tun-dagegen/
www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/11932.html
www.lbv.de/ratgeber/lebensraum-haus/gefahren-durch-glas/vogeltod-am-glas-vermeiden/
www.vogelwarte.ch/de/voegel/ratgeber/gefahren-fuer-voegel/vogelkollisionen-an-glas-vermeiden
www.dabonline.de/2020/10/19/todesfalle-glas-wie-vogelschlag-verhindern-voegel-fliegen-gegen-fassade/

Erste Hilfe für die Vögel!
Da tut es einen Schlag am Fenster und Sie finden draußen auf dem Boden einen benommenen Vogel liegen. Was nun?